Skolkovo, Moskau

Miniaturisierte Landschaft

Details
Kunden
LLC UDPC Skolkovo, Moscow
Typus
Landschaft
Kollaboration
Herzog & de Meuron, Basel
Entwurf
2013 - 2015
Realisierung
2015 - 2018
Status
Realised
Fläche
112 000 m²
Land
Russland
Als Thermokarst bezeichnet man einen geomorphologischen Prozess, im Zuge dessen in arktischen Gebieten und in kleinerem Ausmass auch in den Hochgebirgsregionen des Himalaya oder der Alpen durch das Auftauen der Permafrostböden eine charakteristische Landschaft geformt wird. Schmilzt das im Erdboden enthaltene Bodeneis, entstehen Einsenkungen, deren unregelmässige Oberflächen aus sumpfigen Kuhlen und kleinen Buckeln bestehen. Diese Einsenkungen können einen verblüffenden Effekt auf die Vegetation haben: Werden die flachen Wurzelsysteme der Bäume unterhöhlt, hat das zur Folge, dass sich die Bäume in verschiedenen Winkeln zur Seite neigen und sogenannte «betrunkene Wälder» bilden.

Das Phänomen des Thermokarsts zeigt sich auch in den Höfen des neuen Skolkovo Innovation Centers, jedoch in miniaturisierter Form: Die differenzierte Mikrotopografie des Bodens ist entweder mit einem Teppich aus mehrjährigen Pflanzen und kleinen Sträuchern oder mit einem Nutzrasen bedeckt, abhängig von der Funktion des Hofes. Einzelne schräg stehende Bäume und Baumgruppen verstärken dieses dynamische Bild und sind eine Übersetzung der archaischen lokalen Landschaft – ein Gegenstück zur globalen Ausrichtung des Instituts, dessen Fokus auf Energie, Information, Telekommunikation, Biomedizin und Nukleartechnologie liegt.

Während die Höfe eine Interpretation dieser einzigartigen Landschaftsform darstellen, sind die das Gebäude umgebenden Freiräume als weitläufiger Wald aus Birken, Espen und Kiefern konzipiert, der auf die regionale Vegetation verweist. Die in ineinandergreifenden Rastern und Reihen angeordneten Bäume erzeugen fortwährende Wahrnehmungswechsel. Aus der Vogelperspektive ist die Künstlichkeit des Waldes offensichtlich, auf Augenhöhe erkennt nur der aufmerksame Fussgänger das zugrunde liegende Prinzip: Ein Spaziergang durch den Wald offenbart auf den schmalen Pfaden eine Waldlandschaft mit scheinbarem Wildwuchs, während auf den Hauptwegen die Regelmässigkeit der Pflanzungen deutlich zu sehen ist. Der Umstand, dass nur eine Pflanzengattung pro Reihe angelegt ist, verstärkt die Wahrnehmung dieses Bildes. Indessen verwischen die ausgewählten Pflanzenarten mit ihren charakteristischen Merkmalen, beispielsweise ihren Herbstfärbungen und Rindentexturen, wiederum die Unterschiede zwischen der frei wachsenden Vegetation und dem systematischen Pflanzschema – ein Konzept, das auf der Strategie beruht, «Wildnis» durch Präzision zu simulieren.