Villa Rosau, Zürich
Zaungäste und stumme Tore
Der Zeitgeist
Die Parkanlage der Villa Rosau, damals ‚Zum Seegarten’ genannt, ist eng mit der Stadtentwicklung Zürichs verknüpft. Der Garten ist Mitte des 19. Jahrhunderts auf einer Landzunge ausserhalb der Stadtmauern entstanden. Die Schleifung der Stadtbefestigung und der stetige Druck der Industrialisierung rangen dem See immer mehr Fläche ab. Quaianlage und Blockrandbebauung liessen die ursprünglich idyllische Lage der Villa am See verschwinden und gliederten diese in ein neues, urbanes Umfeld ein.
Der Park der Villa Rosau wurde im Landschaftsgartenstil errichtet und fortlaufend leicht modifiziert, er ist geprägt durch die gesellschaftliche Veränderung zur Zeit der Industrialisierung. Es entwickelte sich eine Überlagerung von architektonischen Elementen aus dem französischen Garten und dem idealisierten, englischem Landschaftspark. Vor der Umgestaltung war vom alten Bestand nur noch wenig vorhanden.
Das Projekt
Die prominente Lage der Parkanlagen der Villa Rosau in Kombination mit der des Hotels Baur au Lac am Zürichsee ist ein historisch wichtiger Zeitzeuge der Stadterweiterung. Diese klar ersichtlichen Zeithorizonte werden durch die bewusste, städtebauliche Setzung des Neubaus in den Garten statt an den Garten klar hervorgehoben. Der Garten umfliesst Villa und Neubau und lässt die L-förmige Blockrandbebauung mit dem historischen Bestand verschmelzen. Der ursprüngliche Stil des Villengartens des 19. Jahrhunderts mit der Überschneidung von architektonischer und organischer Formensprache wird thematisiert und gliedert den Garten in drei unterschiedliche Bereiche, welche den neuen Nutzungsanforderungen gerecht werden.
Im Bereich der Claridenstrasse entstand ein Vorgartenbereich zum Gebäude, über den die Erschliessung der Büroflächen erfolgt und der einen Sitzbereich für die öffentlich zugängliche Gastronomie im nordwestlichen erdgeschossigen Teil des Neubaus bietet. Unterbrochen wird dieser Vorgartenbereich durch die Zufahrt der Villa, durch welche die Anbindung des historischen Gebäudes an den städtischen Raum erfolgt. Im östlichen Teil des Areals befindet sich der Garten, welcher ausschliesslich von den Besuchern der Villa genutzt wird.
Die Zäune und Tore
Die Einfassung des Areals erzählt die Geschichte des Ortes und ist auch aus denkmalpflegerischer Sicht von hoher Bedeutung. Die verwendeten Zäune und Tore waren bereits bestehend und wurden mittels aufwändiger Handwerkskunst restauriert. Der Garten wird entlang der Claridenstrasse und des General-Guisan-Quai durch einen geschmiedeten, auf einem Sockel aus hartem Tessiner Gneis stehenden, prunkvollen Eisenzaun gefasst. Entlang des Schanzengrabens ist der Garten durch die sanierte Ufermauer begrenzt. Das Geländer auf der Mauerkrone wurde restauriert und dient als Fallschutz. Die historischen Gartentore blieben an ihren Standorten als ‚stumme Tore’ bestehen. Die Zugänge, die durch die neuen Anforderungen entstanden, wurden als neue Tore im Stile des historischen Zauns ausgebildet.
Der Vorgarten
Der Gartenzaun wird in grossen Teilen seiner Länge von einer Hecke aus Immergrünem Liguster begleitet. Lediglich im nördlichen Vorgartenbereich, welcher als Sitzplatz für die öffentliche Gastronomie genutzt wird, wurde auf die Hecke verzichtet. Die urbane Lesart des Vorgartens in der Claridenstrasse wird auch durch die gegenüberliegenden Gebäude und deren Nutzung geprägt. Ausgehend von den an den Fassaden der Tonhalle und des Kongresshauses beginnenden Belagsflächen sind auch die Flächen vor dem Geschäftshaus Rosau mineralisch gestaltet. Hinter dem Zaun bzw. der Hecke dient ein Terrazzobelag der Erschliessung der Büros sowie als Aufenthaltsfläche für die Cafeteria und die öffentliche Gastronomie im Erdgeschoss. Der geschliffene Hartbetonbelag hebt sich in seiner Wertigkeit vom Trottoir ab und nimmt Bezug auf die Böden im Innenraum. Innerhalb der Belagsflächen wurden neue Bäume gepflanzt, um trotz des harten Bodens dem Thema des Gartens gerecht zu werden.
Die Zufahrt
Eine bemerkenswerte Gestaltung des Bodens erhielt auch die Zufahrt zum historischen Gebäude. Eine Belagsfläche aus geschliffenem Asphalt verläuft von der Claridenstrasse durch das EG des Neubaus bis zur Mauer am Schanzengraben und rahmt als Vorplatz die Villa auf drei Seiten. Um die Zuwegung und den Auftakt zur Villa zu unterstreichen und angemessen repräsentativ zu gestalten, wurde eine Intarsie aus Naturstein als symbolischer Teppich „ausgerollt“. Die Intarsie besteht aus rautenförmigen Platten aus Guber Naturstein, deren Oberfläche mit drei verschiedenen Verfahren bearbeitet wurden. Die gestockten, geflammten und seilgesägten Steine erzeugen ein dreidimensionales Muster, welches Bezug nimmt auf die klassizistischen Parkettböden des historischen Gebäudes.
Der Garten
Ausgehend vom Vorplatz der Villa erstreckt sich der chaussierte Gartenweg bis zum General-Guisan-Quai durch den Garten der Villa Rosau, welcher als baumparkartige Anlage mit einer zentralen Rasenfläche zu bezeichnen ist. Die bestehende Zeder an der Ecke des General-Guisan-Quai mit der Claridenstrasse, die Trauer-Weide am Schanzengraben und die Linde bilden ein wesentliches Grundgerüst des Baumkonzeptes. Die historischen Eibenkegel wurden ebenfalls erhalten, jedoch in ihrem Erscheinungsbild proportional wieder der Villa angepasst. Die Rasenfläche vor der Villa und den beiden Eiben wurde durch eine topografische Modellierung überhöht und dient als Filter zwischen der Terrasse der Villa und der Strasse. Um die beiden Teile des Gartens, den vor der Villa sowie den vor dem Neubau miteinander zu verbinden, dient der Gartenweg als Spiegelachse für eine zweite modellierte Rasenfläche. Der als Senke modellierte Bereich vor dem Neubau erzeugt eine topografische Wechselwirkung zwischen den beiden Gartenbereichen und verbindet diese optisch miteinander. Physisch allerdings sind beide Bereiche deutlich durch einen Heckenkörper voneinander getrennt.
Der Gartenweg führt auch entlang der Mauer am Schanzengraben und steht hier im direkten Kontext mit dem Zwillingsgarten des Hotel Baur au Lac und Villa Rosau. Eine formal-geschnittene Baumflanke stellt den Zusammenhang zum Garten des Baur au Lac her und bildet den physischen Abschluss des Gartens. Unter dem Dach aus geschnittenen Linden entstand ein Aussensitzplatz für die Gäste der Villa Rosau mit Blick auf den See. Das Motiv der Baumflanke findet sich zudem zwischen der Villa und dem Neubau, hier aber weicher interpretiert und als lichter Baumhain ausgebildet.
Die Villa Rosau und das Wasser
Zur Zeit ihrer Entstehung waren die Villa Rosau und ihr Garten noch auf drei Seiten von Wasser umgeben. Nachdem im Jahr 1887 nach einer Seeaufschüttung die Quaianlagen entstanden, rückte das Seeufer vom Areal der Villa Rosau ab. Drei neu eingeführte Elemente im Garten verweisen nun auf subtile Art auf diesen ursprünglich direkten Bezug des Areals zum Wasser.
Eines dieser Elemente befindet sich am Ende der Zufahrt der Villa vor der Mauer des Schanzengrabens. Ein massiver Steintrog mit vier Metern Durchmesser bildet den räumlichen Abschluss der Zufahrt und repräsentiert das Thema Wasser mittels einer besonderen Bepflanzung. Ein ringförmiges Wasserbecken aus Stahl innerhalb des Trogs läuft periodisch in das Substrat über und ermöglichte die Pflanzung einer Sumpfzypresse, welche gleichzeitig Bezug nimmt auf die, dem damaligen Zeitgeist entsprechenden, exotischen Gehölzpflanzungen im Garten des Baur au Lac.
Ein weiteres Element thematisiert das Wasser mittels seiner spiegelnden Eigenschaften. Am Hochpunkt der zum Hügel modellierten zentralen Rasenfläche entstand ein Wasserbecken, welches vom Gartenweg aus nicht zu entdecken ist. Erst wenn man die erhöhte Terrasse der Villa betritt, kann man zwischen den beiden Eiben hindurch den Wasserspiegel des Beckens erblicken. Dabei ist der Hügel exakt so hoch modelliert, dass die Strasse, die Autos und die Quaianlagen ausgeblendet bleiben und nur der See im Hintergrund ersichtlich ist. Dem aufmerksamen Betrachter dient der Wasserspiegel im Garten der Villa als Referenz zum ehemals angrenzenden See. Dem Prinzip des gespiegelten Gartens folgend, erhielt auch die modellierte Senke an ihrem Tiefpunkt ein rundes Wasserbecken, welches den See, die Wolken und die Bäume spiegelt.
Im dritten Element zeigt sich das Wasser nur als Metapher. Eine Wettersäule im Vorplatz der Villa begrüsst die Gäste und informiert sie über die Wetterlage und -aussichten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden zahlreiche dieser Wettersäulen an öffentlichen Plätzen, Parks und Promenaden aufgestellt. Auch die Stadt Zürich verfügte über mehrerer solcher Elemente z.B. am Bürkliplatz, Bellevue, Limmatquai oder Platzspitz. Als Referenz an den damaligen Zeitgeist erhielt die Villa Rosau ihre eigene Wettersäule, deren Hülle, Dach und Sockel zwar nach historischen Vorbildern rekonstruiert wurde, die verwendeten Instrumente aber aus einem historischen Original von Ende des 19. Jahrhunderts stammen. Abseits des Wetters informiert die Wettersäule auch über die Uhrzeit in Zürich, New York und Tokyo und zeigt über die Windfahne auf dem Dach die Windrichtung an.
© Monir Salihi